Als Junge war ihm bereits klar, dass es eine Stevenaak werden musste, ein seltener Schiffstyp mit schöner Linienführung, und dadurch sehr schnell. Als er in den 70er Jahren mit seinem Schwiegervater die Beurtveer-Regatta mitsegelte, mussten sie von ihrer Tjalk aus leidvoll zusehen wie die “Zwarte Valk”, damals wie heute eine bekannte Klipperaak, höher und schneller lief. “Das haben wir uns einige Jahre lang angeschaut, endlos im Deckshaus diskutiert und zum Schluss war klar: so ein Schiff sollte es sein.”
Sein Schwiegervater angelte eine 21,5 Meter lange Stevenaak aus dem Schlamm bei Andel an der Maas und restaurierte diese gemeinsam mit seinem Schwiegersohn. “Angesteckt”, trotz des schweren Betonhackens im Schiff seines Schwiegervaters, machte sich Leon ebenfalls auf die Suche. Er fand in der gesamten Niederlande sechzehn Exemplare, aber es wurde… eine Tjalk, gefunden um die Ecke. “Die Aken waren entweder zu schlecht oder einfach nicht zu verkaufen.”
Das große Geld
Er zimmerte “ein paar Betten und Wände” in das 19 Meter lange Schiff. Zur damaligen Zeit reichte das aus, um von einem Boot ein Charterschiff zu machen, und so begann er mit der Passagierfahrt. 1982, als Zwanzigjähriger, beim Buchungsbüro “Zeeuwse Stromen” in Zeeland. “Eigentlich hab’ ich nie wieder soviel Geld verdient wie damals. Das erste Jahr brachte mir um die 65.000 Gulden ein, und ich musste lediglich einen kleinen Kredit für das Segel abbezahlen.”
Nach dem ersten Jahr war es allerdings vorbei mit dem großen Geld verdienen. Ein Brand während Schweißarbeiten sorgte dafür, dass sein Schiff komplett neu aufgebaut werden musste. Die Versicherung deckte leider nur einen Teil des Schadens. Gleichzeitig meldete sein inzwischen Ex-Schwiegervater, dass eine Stevenaak bei Krimpen an der IJssel als Ponton genutzt wurde.
‘’Alle zufrieden“
Der Eigner wollte aber nicht verkaufen, sondern tauschen: “Sorg’ einfach für Ersatz!” Und so kehrte Leon nach einer Reise von Zeeland bis ins Wattenmeer zurück mit einem anderen Ponton im Schlepptau. “Alle zufrieden!”, dachte Leon.
Oder etwa nicht? Bei den Stevenaken gibt es schön, schöner und am schönsten. Die “Tijdloos” von 25 Metern Länge war zwar ein sehr charmantes Schiff; doch die Steigerung dazu war dann doch die Gaja aus 1876, die älteste Stevenaak in den Niederlanden. Leon hatte das Schiff bereits zuvor in Amsterdam gesehen, nun lag es ein Jahrzehnt später in Stadskanaal in Groningen. Eine wunderschöne Linienführung mit einem prächtig geschwungenen Heck, van der Loo kaufte blind den 28 Meter langen Schiffsrumpf. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1990.
Seine Lebenspartnerin sorgte für die beiden Kinder; Leon musste schließlich hart an die Arbeit. Wie sich herausstellte, hatte er lediglich das ‚Spantenwerk‘ gekauft. Optimistisch erneuerte er Schiffshaut und Kimmen, letztendlich musste auch ein neuer Boden hineingeschweißt werden. Das einzige, was original erhalten blieb, waren die Spanten (der Rahmen des Schiffs).
Trophäenschrank
Vier Jahre lang arbeitete er in den Wintermonaten am Schiff. Als er schließlich mit der La Bohème die ersten Regatten segelte, musste er schnell einen Trophäenschrank bauen, um seine Pokale unterzubringen. Während er endlich sein Traumschiff hatte, bahnten sich große Veränderungen an: gewollte und ungewollte.
Nicht ganz freiwillig wechselte er die Flotte und den Heimathafen, bekam diese Flotte (De Zeilvaart) einen neuen Eigner, wurde der Gulden zum Euro, ersetzte das Internet den altbekannten Prospekt und sank die Anzahl der Fahrtage von 170 im Jahre 2002 auf dramatische 90 Tage im Jahre 2007, mitunter weil dem Eigner seines neuen Buchungsbüros zu Ohren gekommen war, dass Leon einer der beiden Initiativnehmer für die Gründung eines Konkurrenzunternehmens war.
Inzwischen liegen die turbulenten Jahre hinter ihm, und Leon weiß: “Es muss genauso sein wie es jetzt ist”. Der Einkommensrückgang wurde mit der Kreditrückzahlung der La Bohème aufgefangen und die neue Flotte Holland Sail lief von Anfang an äußerst gut. “Beim vorherigen Reeder gab es einen Geschäftsführer, der im Prinzip alles eigenständig festlegen konnte. Sein Interesse entsprach bei weitem nicht immer unserem Interesse. Er wollte einen hohen Umsatz; welches Schiff dafür sorgte war ihm egal. Wir möchten einen guten Umsatz für alle, jeder steht für jeden ein.” (Über die Genossenschaft Holland Sail siehe anderweitig in diesem Magazin).
Insgesamt haben ihm die schwere Arbeit an seinen fünf Schiffen, die er zum größten Teil von Grund auf neu restaurierte, sowie der große Bauernhof in Nord-Holland aus 1857, den er zu einem B&B mit vier Zimmern umbaute, und die Restaurierung mehrerer Citroёn-Oldtimer einen schmerzhaften Rücken beschert.
Brabanter Dialekt
Darum hat er nun gezwungenermaßen mehr Zeit für weniger anstrengende Unternehmungen. Was aber bei weitem keine Strafe ist! “Ich habe viel mehr Zeit für Kultur! Ich besuche jetzt Museen und historische Städte, im vergangenen Winter war ich bereits in Xanten, Trier und Koblenz, ich habe viel gelernt über die römische Kultur. Ich fahre auch gern zu den alten Zechen im Ruhrgebiet; besuche die Orte wo unsere Schiffe früher über den Rhein hingefahren sind. Auch meine La Bohème hat den Großteil ihres Lebens Kohlen vom Ruhrgebiet nach Rotterdam transportiert. Diese kulturellen Ausflüge, zusammen mit dem Segeln, kann ich noch Jahren unternehmen,” versichert er mit seinem gemütlichen Brabanter Dialekt.
Begeisterter Regattasegler
Schlechter Rücken oder nicht, Leon ist, so wie er sich allem mit voller Hingabe widmet, auch ein passionierter Wettstreitsegler. “Ich hatte das Spiel schnell durschaut.” Die Klipperaak Zwarte Valk, der er in den 70er Jahren noch leidvoll hinterher sehen musste, ist schon lange keine Konkurrenz mehr.
Im Laufe der Jahre hat Leon zahlreiche technische Verbesserungen an Bord vorgenommen. Nicht umsonst verfügt er über baukundige Kenntnisse. So hat er unter anderem seine Seitenschwerter optimiert, kann mit einer selbst entworfenen Installation schnell seine Segel reffen und bereitete er seinem Segelmacher einiges Kopfzerbrechen mit seinen eigenen Ideen über die perfekte Segelform. Natürlich ist der Rumpf des Schiffes stets glatt gebürstet. Dies alles trägt dazu bei, dass die La Bohème oft gewinnt. Selbstverständlich hat er noch den ein oder anderen Handgriff, den er lieber nicht verrät…
So gewinnt man dann unzählige Regatten, u.a. 5x das Klipperrace, 8 x die Beurtveer, 5 x das Waddenrace und 12 x das Bontekoerace.
Angehende Pfarrerin aus Dortmund wird Matrose
Letztendlich folgen wir alle unseren Genen. Leons Vater und Großvater waren Zimmermann, als Teenager zimmerte er bereits an seinem ersten Schiff. Die Frau an seiner Seite, Melanie (37) aus Dortmund, lauschte als Kind atemlos den Geschichten ihres Großvaters, der Funker bei der Marine war. Dass sie später selbst zur See fahren würde, ließ sie sich damals noch nicht träumen.
‘’Wasser kommt in Dortmund vor allem aus dem Hahn,” erzählt sie lachend. Ihre Ferien verbrachte sie schon immer lieber am Meer statt in den Bergen. Doch fühlte sie sich berufen, Pfarrerin zu werden. Nach dem Gymnasium studierte sie Theologie. Als Kind nahm sie an kirchliche Kinder- und Jugendgruppen teil, während des Studiums leitete sie den Jugendbereich ihrer Kirchengemeinde, begleitete Jugendreisen nach Schottland und Dänemark und arbeitete im Presbyterium.
Ein Freund erzählte ihr, dass man Gruppenreisen auf Plattbodenschiffen in den Niederlanden buchen könne. ‚Klingt gut‘, dachte Melanie und nach einiger Recherchearbeit - Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen - landete sie bei der „Zeilvaart“, damals das größte Buchungsbüro des Landes.
Wehmut
Sie besprach ihre Pläne mit der Evangelischen Kirchengemeinde in Dortmund. “Mach’ ruhig” war die Antwort, und nach einem fantastischen Segeltörn für zwei Wochen auf einem Klipper mit einer Jugendgruppe, konnte Melanie nie wieder ohne Wehmut nach dem Wasser aus dem Hahn schauen.
Im Jahr darauf musste ein größeres Schiff her, denn es meldeten sich mehr Kinder an. Nur ein Jahr später organisierte Melanie gemeinsam mit dem Skipper individuelle Reisen. Das Studium in Deutschland, das musste mal ein Semester warten. “Mal ein halbes Jahr lang raus, reisen, Kopf freimachen.” Die Pause wurde etwas länger als ein Semester.
Ihr Skipper war auf der Suche nach einem Maat, und so verdiente sie auch noch Geld während ihrer “Auszeit”. Mit Streichen und Werkeln am Schiff. Und Segeln. “Ich fand’s großartig. Ich fuhr mit allen Generationen, verschiedensten Gruppen, meinem Gefühl nach war ich immer noch theologisch beschäftigt. Aber dann auf dem Wasser.”
Im Winter 2005-2006 bestand sie ihr erstes Theologieexamen. Normalerweise hätte nun eine Praxiszeit in einer Kirchengemeinde auf dem Programm gestanden. Nach dem Vikariat und einem zweiten Examen wäre sie Pfarrerin gewesen. Doch die weite See hatte mehr Anziehungskraft; sie kehrte zurück in die Niederlande.
Steuermannpatent
‘’Ich folgte meinem Herzen, obwohl es keine leichte Entscheidung war. Aber ich konnte und kann mein zweites Examen zu jeder Zeit nachholen, deshalb ging ich zurück an Bord.” Dem Studieren noch lange nicht überdrüssig, besuchte sie zwei Winter lang die Seefahrtschule in Enkhuizen, und ist nun Theologin mit Steuermannspatent.
Nach einigen Jahren auf dem Klipper wechselte sie 2009 auf die schnelle La Bohème. Dort lernte sie Leon kennen. “Wir fanden uns sofort äußerst sympathisch. Und das ist immer so geblieben.” Und so hat Melanie mittlerweile mehr Tage auf dem Wasser verbracht als ihr geliebter Opa.
Gemeinsam mit Gästen spannende Reisen unternehmen
Leon und Melanie veranstalten gemeinsam abenteuerliche, grenzüberschreitende Reisen, weiter weg als die meisten anderen Schiffe. “Wir kennen unsere Gäste sehr gut und können unsere Reisen so aneinander koppeln, dass wir z.B. mit der einen Gruppe nach Belgien fahren und dann mit der nächsten über Zeeland wieder ins IJsselmeer zurückkehren. Natürlich so viel wie möglich über Flüsse und Kanäle segelnd.”
So haben sie in den letzten Jahren gemeinsam mit ihren Gästen ordentlich Seemeilen zurückgelegt, sowohl über die Binnengewässer als auch auf dem weiten Wattenmeer, immer auf der Suche nach neuen Erlebnissen und mit offenem Blick für die Schönheiten eines großen und abwechslungsreichen Segelreviers.